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Ostern: Das Fest der Fragen

Weshalb ich mir eine Kaffeekonversation mit Gott wünsche

Nicht mehr lang und Ostern klopft an die Tür. Ein superbedeutsames Fest für uns Christinnen und Christen. Dann sitzen wir in Gottesdiensten und sollen uns die furchtbaren Leiden von Jesus an Karfreitag, die Hoffnungslosigkeit von so vielen Menschen an Karsamstag und die explosionsartige Freude des Siegs über den Tod an Ostersonntag bewusst machen. Für mich kann ich sagen: Klappt bei mir selten bis nie.

Ich schaffe es mir selten bewusst zu machen, was an diesen Tagen vor vielen Jahren wirklich passiert ist. Woran liegt das?
Vielleicht daran, dass Ostern ein Fest ist, an dem ich meine Familie sehen kann und diese Begegnungen im Vordergrund stehen, anstatt an Tod und Auferstehung zu denken. Vielleicht liegt es daran, dass für mich Ostern eine Tradition geworden ist und vieles an den Tagen gleich abläuft. Und wie es so oft im Leben ist: Wenn sich Routinen einschleichen, dann wird manches irgendwann zu einem Automatismus ohne wirkliches Nachdenken darüber. Ostern ist für mich vermutlich zu einem Automatismus geworden. Grund genug dieses Fest wieder genauer zu betrachten.

Karfreitag

Es ist normal, dass Jesus irgendwann mal an einem Kreuz hing, da diese Darstellung in jeder Kirche und so gut wie in jedem Gemeinderaum zu finde ist. Irgendwie ist das etwas Normales. Ich frage mich schon seit längerer Zeit, weshalb Jesus so furchtbar grauenhaft gefoltert wurde. Die ‚kurze‘ Antwort darauf ist: Weil Jesus damit für all unsere Sünden bezahlt und den Weg in die Ewigkeit für uns bereitet hat. Diese Antwort reicht mir schon lange nicht mehr aus. Wieso brauchte es so schlimme Qualen, damit wir Menschen zu Gott kommen dürfen? Gott ist doch Gott und für ihn ist alles möglich. Weshalb hat er nicht einen anderen Weg gewählt mit weniger Leid, der dadurch für viele Menschen verständlicher wäre? Und wie kann es sein, dass Jesus bereit war, so schlimm zu leiden? Können Gott und Jesus überhaupt getrennt werden? Sie sind doch Teil der Dreieinigkeit. Wurde Jesus umgebracht und Gott hat darüber getrauert? Oder hat Gott sich selbst umgebracht?

Vor kurzem habe ich in einem Podcast gehört, dass Gott uns durch den Tod am Kreuz unter anderem folgendes klarmachen wollte: „Ab heute gibt es von meiner Seite aus keine Vergeltung mehr.“ Jesus wurde vollkommen zu Unrecht gefoltert und ermordet. Gott hätte danach allen Grund gehabt sich an den Menschen zu rächen. Hat er aber nicht. Es muss nichts mehr ausgeglichen werden, obwohl so eine unfassbar große Ungerechtigkeit über Jesus einherging.

Karsamstag

Jesus war tot. Menschen waren schockiert. Haben sie sich vielleicht doch geirrt? War Jesus gar nicht des Messias. Haben sie ihre Hoffnung auf etwas ganz Falsches gesetzt? Gott schwieg und gab keine Antwort auf diese Verwirrung. Wenn wir in unser Leben schauen, ist es doch die schlimmste Bestrafung einfach ignoriert zu werden. Ich werde innerlich oft sehr klein, wenn ich einer Person Fragen stelle und sie mir einfach nicht antwortet, obwohl sie mich gehört hat.
Ist dieses Schweigen Gottes am Karsamstag eine kollektive Bestrafung an alle Menschen? Oder ein Bewusstmachen, wie es sich anfühlt, wenn Gott eben wirklich mal weghört / nicht antwortet? Wie können wir uns das an Karsamstag klar machen, neben den Familiengesprächen, Spielenachmittagen und dem ganzen Non-Stop-Essen?

Karsamstag ist für mich kein Tag, an dem ich trauere und hoffnungslos bin, sondern ein Tag, an dem ich manchmal schon die ersten Ostergeschenke bekomme. In manchen Regionen wird der Karsamstag auch ‚Stiller Samstag‘ genannt. Wenn wir diesen Tag bewusst in mehr Stille verbringen würden, kämen wir dem Sinn dieses Tages vermutlich wieder ein Stück näher.

Ostersonntag

Plötzlich nimmt alles eine Kehrtwende. Da ist diese eine Person nicht tot, sondern quicklebendig. Da ist etwas passiert, womit niemand gerechnet hat. Sowas fühlt sich wohl sehr überfordernd und unwirklich an und es wird am eigenen Verstand gezweifelt. Gleichzeitig ist da ein Glücksgefühl, da urplötzlich diese Hoffnung wieder da ist. Die Hoffnung darüber, dass es weitergeht und dass der Typ, der die letzten 30 Jahre einen Plan für alle hatte, auch jetzt noch einen Plan für alle hat.

Die Freude war vermutlich gar nicht nur darüber, dass ein guter Freund nicht mehr tot ist, sondern dass die Menschen nicht allein auf sich gestellt sind. Sie werden gesehen und gehört und müssen nicht komplett eigenverantwortlich durchs Leben gehen, sondern irgendwie ist da noch jemand an ihrer Seite. Ein schöner Gedanke, doch so ganz praktisch in meinem Leben reicht es mir nicht immer aus, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass da jemand in meinem Leben dabei ist. Mir reicht es oft nicht aus, zu wissen, ich werde gehört, wenn ich bete und Fragen stelle. So oft wünsche ich mir eine wirkliche Konversation zwischen Gott und mir mit vielen Fragen, auf die ich viele Antworten bekomme. Am liebsten in der Küche mit einem Kaffee, aber so findet es nicht statt. Wie schaffe ich es denn diese große Freude von damals heute (zumindest ein stückweit) nachzuempfinden?

Ich muss zugeben, aktuell hinterfrage ich sehr viel Dinge und oft fühlt es sich etwas zu kritisch an. Doch ich könnte nicht einfach so Fakten hinnehmen, die ich höre, ohne sie weitestgehend zu begreifen. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass diese Dinge an Ostern so stattgefunden haben. Diesen Zwiespalt in mir habe ich vor kurzem einer Freundin erzählt. Sie meinte es wäre doch großartig, dass man für beide Seiten einen Blick hat.
Den „äußeren“ Blick, bei dem Dinge hinterfragt werden und wahrgenommen wird, wie rätselhaft vieles klingt und wie ungreifbar diese Geschehnisse auf uns Menschen wirken – vor allen Dingen auf Menschen, die nicht an einen Gott glauben.
Den „inneren“ Blick zu sich und dieser Überzeugung, dass Gott wirkt, dass er begeistert, dass er so viel mehr tut, als wir Menschen jemals verstehen werden.

Ich werde dieses Jahr vermutlich ein Ostern verbringen, indem viele Fragen aufploppen werden und unbeantwortet bleiben. Vielleicht kommt dieses Hinterfragen nah an das ursprüngliche Osterfest heran. Vor 2000 Jahren war den Leuten sicherlich auch vieles noch sehr schleierhaft. Das ist ein tröstlicher Gedanken für mich, dass es den Leuten damals vermutlich ähnlich ging wie mir.


Darius Dunkel

Lydia Günther
ehemalige Jugendbildungsreferentin im CVJM Thüringen e. V.

Dies ist ein Artikel aus dem aktuellen CVJM-Magazin. Das vollständige Heft kannst du hier lesen